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SOS MEDITERRANEE hat bis heute fast 400 Rettungseinsätze im zentralen Mittelmeer durchgeführt. Diese Route ist die tödlichste Migrationsroute der Welt.

Stefano Belacchi / SOS MEDITERRANEE

Was sind die größten Herausforderungen bei Einsätzen im zentralen Mittelmeer?

Die großen Entfernungen (300-400 km), der Mangel an staatlichen Such- und Rettungskapazitäten, und die unzureichende oder fehlende Koordination der Küstenwachen. Darüber hinaus erschwert die Größe der Rettungszone die Koordination der Rettungseinsätze: Es handelt sich um ein sehr großes Gebiet, indem Boote in Seenot weit voneinander entfernt und isoliert sein können. Das macht es noch schwieriger, sie zu finden und ihnen zu helfen.

An Hand welcher Merkmale wird eine Notsituation definiert?

  • das Vorliegen eines Hilfeersuchens, wobei ein solches Ersuchen nicht der einzige Faktor ist, um das Vorliegen einer Notsituation zu bestimmen
  • der Zustand der Seetüchtigkeit des Schiffes und die Wahrscheinlichkeit, dass es sein Endziel nicht erreichen wird
  • die Anzahl der Personen an Bord im Verhältnis zum Typ und Zustand des Schiffes
  • Vorräte wie Treibstoff, Wasser und Nahrung, um ein Ufer zu erreichen
  • Vorhandensein einer qualifizierten Besatzung und das Kommando über das Schiff
  • die Anwesenheit einer qualifizierten Besatzung und die Schiffsführung
  • die Verfügbarkeit und Kapazität der Sicherheits-, Navigations- und Kommunikationsausrüstung;
  • die Anwesenheit von Personen an Bord, die dringend medizinische Hilfe benötigen
  • die Anwesenheit von verstorbenen Personen an Bord
  • die Anwesenheit von schwangeren Personen oder Kindern an Bord
  • die Wetterbedingungen und der Zustand der See, einschließlich der Wetter- und Seevorhersagen.

 

Claire Juchat / SOS MEDITERRANEE

Was sind die internationalen Standards für Rettungseinsätze?

Gemäss Konventionen wie dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS) und dem Übereinkommen über den Such- und Rettungsdienst auf See (SAR) bewerten die Seenotretter die Seetauglichkeit, Sicherheit und Fähigkeit eines Wasserfahrzeugs, einen sicheren Hafen zu erreichen. Bei diesen Bewertungen werden Faktoren wie Überladung, Stabilität, der Zustand der Sicherheits- und Kommunikationsausrüstung sowie die aktuellen Umweltbedingungen berücksichtigt. Durch Einhaltung internationalen Standards gewährleistet SOS MEDITERRANEE, dass ihre Rettungseinsätze den gesetzlichen und humanitären Anforderungen entsprechen. Jeder Such- und Rettungseinsatz benötigt ein umfangreiches maritimes Fachwissen und eine umfassende Vorbereitung.

Wie werden die jeweiligen Seenotfälle beurteilt?

Die richtige Einschätzung von Seenotfällen ist ausschlaggebend für die Vorbereitung eines Rettungseinsatzes. Wenn ein Boot gesichtet wird, prüft das Team zunächst den Zustand der Seetüchtigkeit. Das bedeutet, dass beurteilt wird, ob das Boot strukturell seetüchtig ist und ob es die Fähigkeit besitzt, ohne fremde Hilfe einen sicheren Zielort zu erreichen. Die angetroffenen Boote sind in der Regel unsicher und bestehen aus Materialien, die für die Bedingungen des Mittelmeers ungeeignet sind.
Die Anzahl der Personen an Bord wird mit der Größe und dem Zustand des Bootes verglichen. Besonders überladene Boote sind extrem gefährdet, da das Risiko des Kenterns oder anderer Stabilitätsprobleme erhöht wird. Weiterhin überprüft das Team die Verfügbarkeit und Funktionsfähigkeit der Sicherheits- und Kommunikationsausrüstung, die für die Bewältigung von Notfällen auf See unerlässlich ist. Faktoren wie die Anwesenheit von Personen, die dringende medizinische Versorgung benötigen, von schwangeren Personen oder Kindern, werden ebenfalls berücksichtigt, da diese Personen möglicherweise vorrangige Hilfe benötigen. Zudem werden die aktuellen Wetterbedingungen und -vorhersagen beachtet, da eine unruhige See oder schlechtes Wetter eine bereits gefährliche Situation zusätzlich verschlimmern kann.

 

Anthony Jean / SOS MEDITERRANEE

Was für Bootstypen sind am häufigsten in Seenotsituationen anzutreffen?

Der Zustand der Boote ist eine weitere Herausforderung in der Seenotrettung. Die meisten gesichteten Boote sind überladen und unsicher gebaut und somit seeuntauglich. Sie befinden sich in Seenot und erfordern ein schnelles und gezieltes Eingreifen. Ein geschultes Rettungsteam muss dabei die Dringlichkeit und Sicherheit abwägen und die Situation sorgfältig bewerten. Im zentralen Mittelmeer treffen die Teams von SOS MEDITERRANEE hauptsächlich auf drei Arten von Booten in Seenot: Schlauchboote, Holzboote und Metallboote. Jedes stellt unterschiedliche Herausforderungen dar, die eine spezifische Rettung erfordern.

  • Schlauchboote, die oft überladen sind, bestehen meist aus einem Material, das nicht sehr widerstandsfähig ist. Wenn die Schlaubooet zu schwer beladen sind, neigen sie dazu, Luft abzulassen oder zu reißen, wodurch die Menschen auf dem Boot der Gefahr ausgesetzt sind zu ertrinken. Die geringe Stabilität erhöht zudem die Gefahr bei plötzlichen Bewegungen oder ungünstigen Wetterbedingungen über Bord zu fallen.
  • Holzboote sind in der Regel robuster, aber aufgrund der Überladung mit einem hohen Risiko des Kenterns behaftet. Die ungleichmäßige Verteilung der Passagiere und der oftmals schlechte Zustand des Schiffes verschärfen das Risiko des Umkippens, vor allem in rauen Gewässern.
  • Metallboote, sind meist aus alten, oft schon rostigen Metallplatten zusammengebaut. Sie sind extrem instabil, und der Rumpf ist oft in einem maroden Zustand. Häufig läuft Wasser in die Boote oder es bekommt Schlagseite. Die Booten wurden vermehrt bei Überfahrten von Tunesien gesichtet. Sie sind sehr gefährlich für die Menschen an Bord, da sie in der Regel in einem sehr schlechten Zustand sind und leicht kentern können.

 

Jede Situation auf See ist einzigartig und erfordert neben einer spezifischen Analyse fundiertes maritimes Fachwissen und viel Mut, um eine erfolgreiche Rettung zu gewährleisten.

 

Claire Juchat / SOS MEDITERRANEE

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