WER SIND WIR?

SOS MEDITERRANEE ist eine europäische humanitäre Organisation zur Seenotrettung im Mittelmeer. Gegründet wurde SOS MEDITERRANEE 2015 in Deutschland und Frankreich als zivilgesellschaftliche Reaktion auf das Sterben im Mittelmeer und das Scheitern der Europäischen Union, dieses Sterben zu verhindern. Heute arbeiten wir im europäischen Verbund mit Teams in Frankreich, Italien, der Schweiz und Deutschland. 

Mit unseren Rettungsschiffen Aquarius (2016 – 2018) und Ocean Viking (seit Juli 2019), einer professionellen Rettungscrew und einem medizinischen Team sind wir im zentralen Mittelmeer im Einsatz, wo Menschen auf seeuntauglichen Booten vor schwersten Menschenrechtsverletzungen in Libyen fliehen. Seit Beginn unserer Einsätze konnten wir mehr als 39.000 Menschen aus Seenot in Sicherheit bringen. Mehr über die Entstehung von SOS MEDITERRANEE.

UNSERE ZIELE

heartbeat

LEBEN RETTEN. Mit einem professionellen und erfahrenen Team führen wir Rettungseinsätze im zentralen Mittelmeer durch, um Menschen vor dem Ertrinken zu bewahren.

support

SCHÜTZEN & BEGLEITEN. An Bord stellt ein medizinisches Team die medizinische Grundversorgung sicher. Wir schützen Überlebende auf der Ocean Viking, bis sie in einem sicheren Hafen an Land gehen.

telescope

BEZEUGEN. Wir dokumentieren die Lage im zentralen Mittelmeer und tragen die Geschichten und Schicksale der Geretteten an die Öffentlichkeit, damit ihre Stimmen Gehör finden und die humanitäre Krise endlich beendet wird.

UNSERE RETTUNGSEINSÄTZE

Seenotrettung ist Pflicht. Das ist der Grundsatz unserer Arbeit. Als sich 2014 die europäischen Staaten aus der Seenotrettung im zentralen Mittelmeer zurückzogen und die Zahl der Toten immer weiter stieg, kam die europäische Zivilgesellschaft zusammen, um diese tödliche Lücke mit eigenen Rettungsschiffen zu füllen. Unsere Einsätze folgen geltendem Seerecht: Wir informieren die zuständigen Behörde über alle Schritte unseres Einsatzes und halten uns an internationale Konventionen. 

UNSERE SCHIFFE

Seit Juli 2019 ist SOS MEDITERRANEE mit dem Rettungsschiff Ocean Viking im Einsatz.

Die Ocean Viking ist ein 69,3 Meter langer Offshore-Versorger, erbaut für die Rettung und Notfallversorgung Schiffbrüchiger. Das Schiff fährt unter norwegischer Flagge und ist mit einem speziellen Containeraufbau Zur Versorgung und zum Schutz geretteter Menschen ausgestattet. An Bord gibt es einen gesonderten Schutzraum für Frauen und Kinder, eine Klinik zur Versorgung von medizinischen Notfällen, und drei Schellboote für Rettungen.

Von Februar 2016 bis Dezember 2018 charterte SOS MEDITERRANEE das Rettungsschiff Aquarius, mit dem 29.523 Menschen in Not gerettet wurden. Die meiste Zeit wurde das Schiff gemeinsam mit Ärzte ohne Grenzen (MSF) betrieben. Nach politisch motivierten Blockaden musste SOS MEDITERRANEE die Aquarius Ende 2018 aufgeben.

Previous slide
Next slide

UNSERE TEAMS

An Bord:
  • Rettungsteam: Ein kleiner Teil des Teams koordiniert auf der Brücke die Suche nach Seenotfällen und die Kommunikation mit Behörden, der Rest des Rettungsteams führt an Deck und an Bord der Schnellboote die Rettungseinsätze durch.
  • Post Rescue Team: Koordiniert die Versorgung der Überlebenden nach der Rettung. Medizinisches Personal stellt die medizinische Versorgung sicher, während logistisches und humanitäres Personal die soziale Begleitung und materielle Versorgung der Geretteten organisiert. Ein Teil des Teams wird von unserem Partner, der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC), gestellt.
  • Kommunikationsverantwortliche: Dokumentieren die Einsätze und halten die Geschichten der Geretteten fest.
  • Schiffscrew: Eine vom Reeder angestellte Crew widmet sich ausschliesslich der Schifffahrt.
Previous slide
Next slide

BERICHTE

GEFÖRDERT VON

FAQ

SOS MEDITERRANEE ist eine Initiative, die sich aus europäischen Bürgerinnen und Bürgern mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen (maritim, humanitär, medizinisch usw.) zusammensetzt. SOS MEDITERRANEE ist eine humanitäre, politisch und religiös unabhängige maritime Vereinigung. SOS MEDITERRANEE leistet Hilfe für Menschen in Seenot, basierend auf den Grundsätzen der Achtung des Menschen und seiner Würde, ohne Diskriminierung aufgrund seiner Nationalität oder Herkunft, seiner sozialen Zugehörigkeit, seiner religiösen oder politischen Überzeugungen oder seiner ethnischen Identität.

SOS MEDITERRANEE berichtet als zivile Beobachtung über die Situation im Mittelmeer und dokumentiert die eigenen Aktivitäten auf See (https://www.sosmediterranee.org/operations/). Unabhängige Journalistinnen und Journalisten sowie Medienteams begleiteten regelmäßig die Rettungsaktionen der Aquarius und tun dies auch mit der Ocean Viking. So kann sich die Zivilgesellschaft informieren und Zeuge der Geschehnisse im zentralen Mittelmeer werden.

Das zentrale Mittelmeer ist zur tödlichsten Migrationsroute der Welt geworden. Seit 2014 sind auf dieser Route mindestens 22.872 Menschen ums Leben gekommen [1]. Im Jahr 2016 starben über 5.000 Menschen bei dem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren [2]. Das sind nur die, von denen wir wissen. Gleichzeitig hat die Europäische Union noch keine gemeinsame Antwort auf die Tragödie im Mittelmeer gefunden. Am 9. Mai 2015 wurde SOS MEDITERRANEE in der Überzeugung gegründet, dass niemand im Mittelmeer ertrinken sollte. Der Mangel an Rettungskapazitäten im Mittelmeer hat eine Gruppe europäischer Bürger und Bürgerinnen, darunter Berufsseeleute und humanitäre Helfer, dazu bewogen, ein eigenes Rettungsschiff zu chartern. So hat SOS MEDITERRANEE zwischen Februar 2016 und Oktober 2018 das Rettungsschiff M/V Aquarius betrieben und 29.523 Menschen geholfen.

Im August 2019 haben wir gemeinsam mit Ärzte ohne Grenzen als medizinischem Partner unsere lebensrettende Mission im Mittelmeer mit unserem neuen Rettungsschiff, der Ocean Viking, wieder aufgenommen. Im Juni 2020, nach dem Ende der Partnerschaft mit Ärzte ohne Grenzen, wurde das neue medizinische Team von SOS MEDITERRANEE betrieben. Im Jahr 2022 ist das  International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies (IFRC) medizinischer Partner von SOS MEDITERRANEE auf der Ocean Viking geworden.

SOS MEDITERRANEE ist ein gemeinnütziger Verein und finanziert sich nahezu ausschließlich durch Spenden. Bis Juni 2020 beteiligt sich Ärzte ohne Grenzen (MSF) als medizinischer Partner an den monatlichen Kosten zunächst für die Aquarius und dann für die Ocean Viking. MSF stattete auch das medizinische Team an Bord aus. Nach dem Ende der Partnerschaft hat SOS MEDITERRANEE die Finanzierung und den Betrieb der Ocean Viking übernommen. Seit das IFRC medizinischer Partner geworden ist, unterstützt das IFRC den Betrieb der Ocean Viking auch finanziell und stellt medizinisches Personal. 

Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen [3] vom 10. November 1982 bildet neben anderen internationalen Übereinkommen die Rechtsgrundlage für Rettungseinsätze im Mittelmeer. Artikel 98 (1) besagt Folgendes: "Jeder Staat verpflichtet den Kapitän eines Schiffes unter seiner Flagge, soweit er dies ohne ernste Gefahr für das Schiff, die Besatzung oder die Fahrgäste tun kann, a) jeder Person, die auf See in Gefahr ist, unterzugehen, Hilfe zu leisten".

Seit Beginn ihrer Such- und Rettungseinsätze auf See, patrouilliert SOS MEDITERRANEE im zentralen Mittelmeer in den internationalen Gewässern zwischen Italien und Libyen. Statistisch gesehen befinden sich dort die meisten in Seenot geratenen Boote. Die Rettungen finden außerhalb der libyschen Hoheitsgewässer (der so genannten 12-Meilen-Zone) statt. Bis zum Sommer 2018 koordinierte das italienische MRCC Rom alle Rettungseinsätze. Jetzt ist Libyen offiziell für die Koordinierung der Rettungseinsätze zuständig. Seit Sommer 2017 haben die Teams von SOS MEDITERRANEE wiederholt beobachtet, wie die libysche Küstenwache Menschen, die über den Seeweg versuchen zu fliehen, in internationalen Gewässern abfängt und sie illegal nach Libyen zurückbringt. Libyen kann nach internationalem Seerecht jedoch nicht als sicherer Ort für die Ausschiffung von Überlebenden gelten.

SOS MEDITERRANEE koordiniert alle Such- und Rettungsaktionen mit den zuständigen Seebehörden und mit anderen Akteuren, die potenziell in der Lage sind, Booten in Seenot vor Ort zu helfen (Schiffe und Seeflugzeuge), wobei die Seebehörden stets über die aktuellen Entwicklungen informiert werden. Die Koordinierungsstellen für die Seenotrettung sind dafür zuständig, festzulegen, mit wem wir bei unseren Rettungsaktionen zusammenarbeiten, ob und wann wir gerettete Personen von anderen Schiffen übernehmen und in welchem Hafen wir sie ausschiffen. Im Jahr 2017 begann das italienische Koordinierungszentrum für die Seenotrettung (IMRCC) damit, die Verantwortung für die Koordinierung von Such- und Rettungsmaßnahmen in internationalen Gewässern an die libysche Küstenwache zu übertragen. Im Juni 2018 wurde eine libysche Such- und Rettungszone in das Register der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation aufgenommen, ebenso wie ein libysches Joint Rescue Coordination Centre (JRCC). Bei den jüngsten Rettungseinsätzen hat SOS MEDITERRANEE einen Mangel an Koordination und Informationsaustausch mit den Seebehörden festgestellt (siehe https://www.sosmediterranee.org/operations/).

SOS MEDITERRANEE hat seine Such- und Rettungsaktionen stets in Abstimmung mit den zuständigen Seebehörden durchgeführt und hält sich weiterhin an das geltende Seerecht. Dazu gehört auch die Abstimmung mit der jeweiligen Rettungsleitstelle. Deshalb hat SOS MEDITERRANEE bei den jüngsten Rettungsaktionen die libysche Rettungsleitstelle (Joint Rescue Coordination Centre, JRCC) über den Fortgang der Rettungsaktionen informiert. Die Versuche, das libysche JRCC zu kontaktieren, waren jedoch meist vergeblich. Entweder reagierten die libyschen Behörden gar nicht oder nur mit erheblicher Verzögerung auf die Funksprüche und E-Mails oder sie sprachen kein Englisch - beides Voraussetzungen für eine effektive und zeitnahe Koordination der Rettungen durch die Rettungskoordinationszentren (RCCs).

Bis Februar 2024 hat SOS MEDITERRANEE 39.506 Menschen in Notsituationen geholfen.

Die überwiegende Mehrheit der geretteten Menschen verbrachte längere Zeit in Libyen, bevor sie versuchten, das Mittelmeer zu überqueren. An Bord berichten die Überlebenden unseren Teams, dass sie in Libyen direkt oder indirekt Opfer zahlreicher Menschenrechtsverletzungen geworden sind. Gewalt und Ausbeutung sind an der Tagesordnung. 
Seit 2023 steigen die Zahlen der Menschen, die aus Tunesien fliehen stark an. Auch dort sind die Bedingungen, von denen die Geretteten unmenschlich. 
Wir sammeln und veröffentlichen diese Berichte als "Stimmen der Geretteten". 

Wenn ein in Seenot geratenes Boot identifiziert wird, begibt sich unser Rettungsschiff zu dessen Standort und beginnt in Abstimmung mit den zuständigen Seebehörden mit den Rettungsmaßnahmen. Das Rettungsteam nähert sich dem in Seenot geratenen Boot mit kleineren Schnellbooten und stellt den Kontakt zu den in Seenot geratenen Personen her. Nachdem alle Schwimmwesten verteilt sind, beginnt das Team, kleinere Gruppen von Menschen an Bord unserer Schnellboote zu nehmen. Medizinische Notfälle werden zuerst evakuiert. Danach folgen Kinder und Frauen und dann die Männer. Unser medizinisches Team sorgt für die medizinische Versorgung und die ersten Schritte des humanitären Schutzes, bis das Schiff einen sicheren Ort erreicht, an dem die Überlebenden an Land gehen können. Hier gibt es ein Video zu den Schritten einer Rettung auf unserem Youtube Kanal: 6 Stages of Rescue.

 

Bis Mai 2018 informierte das italienische MRCC unser Schiff über Boote in Seenot, übermittelte uns deren letzte bekannte Position und gab uns Anweisungen für die Suche und Rettung dieser Boote. Seitdem die Verantwortung für die Koordinierung der Suche und Rettung in internationalen Gewässern im zentralen Mittelmeer von Italien auf Libyen übertragen wurde, müssen wir uns bei der Suche nach Booten in Seenot auf unseren eigenen ständigen Ausguck, die Radare an Bord des Rettungsschiffs und anderer ziviler Schiffe und Aufklärungsflugzeuge stützen und gleichzeitig die Seebehörden auf dem Laufenden halten. Wir haben nur sehr wenige bis gar keine Informationen über Boote in Seenot von staatlichen Behörden erhalten. Auf der Grundlage des Seerechts hat SOS MEDITERRANEE seinen Einsatzrahmen wie folgt definiert: "Wenn ein Boot in Seenot identifiziert wird und wenn wir aufgefordert werden, uns von einem Boot in Seenot fernzuhalten oder unser Eingreifen zu verzögern, solange wir Grund zu der Annahme haben, dass die Gefahr unmittelbar bevorsteht, und wenn wir nicht sicher sind, dass alle erforderlichen Mittel rechtzeitig und angemessen eingesetzt werden, werden wir diese Menschen unverzüglich retten, um ihr Leben zu schützen, eine angemessene Notversorgung zu gewährleisten und sie an einen sicheren Ort zu bringen, der den Kriterien der [See-]Übereinkommen entspricht".

Die Aufgabe von SOS MEDITERRANEE ist es, zu retten, zu schützen und zu bezeugen. Seit seinem ersten Einsatz hat sich SOS MEDITERRANEE zum Ziel gesetzt, die Bedürfnisse der Überlebenden nach einer Rettung zu erfüllen. Alle Geretteten erhalten saubere Kleidung und Nahrung. Frauen und Kinder werden in einem separaten Raum, dem so genannten "Shelter", untergebracht.

 

Unser Schutzauftrag ist die logische Fortsetzung der Grundsätze der "Pflicht zur Hilfeleistung" und der Anforderungen des internationalen Seerechts: Ein Schiff, das eine Rettung durchgeführt hat, stellt eine erste Plattform dar, um sich um die medizinischen Bedürfnisse der Überlebenden zu kümmern, ihre Zeugenaussagen zu sammeln, aber auch, um die besonders gefährdeten Personen wie Überlebende von Folter und unbegleitete Minderjährige zu identifizieren, um sie später bei der Ankunft in den Häfen den Behörden und auf Schutz spezialisierten Organisationen zu melden. Diese Zeugenaussagen werden nur mit dem Einverständnis der Betroffenen und unter Wahrung der Vertraulichkeit gesammelt. Dieser Schutzauftrag ist angesichts des psychologischen und physischen Profils der geretteten Menschen nach Monaten oder Jahren in Libyen von besonderer Bedeutung.

 

Bis zum Sommer 2018 koordinierte das italienische MRCC die Rettungseinsätze und wies einen sicheren Ort für die Ausschiffung aus. In der Vergangenheit haben sowohl Malta als auch Italien ihre Häfen für zivile Seenotrettungsschiffe verschlossen. Dadurch haben sie geltendes Seerecht ausgesetzt. Dies führte teilweise zu diplomatischen Patt-Situationen, in denen Rettungsschiffe mehrere Tage auf See bleiben mussten, bevor die geretteten Personen an einem sicheren Ort an Land gebracht werden konnten.

 

Seit Anfang 2023 haben die italienischen Behörden damit begonnen, weit entfernte Häfen zur Ausschiffung der geretteten Personen zuzuweisen. Eine solche Fahrt zu weit entfernten Häfen ist für die geretteten Menschen eine zusätzliche Belastung und verschlechtert oft das körperliche und geistige Wohlbefinden.

Ein sicherer Ort ist "ein Ort, an dem die Rettungsmaßnahmen als beendet gelten. Es ist auch ein Ort, an dem das Leben der Überlebenden nicht mehr bedroht ist und an dem ihre grundlegenden menschlichen Bedürfnisse (wie Nahrung, Unterkunft und medizinische Versorgung) erfüllt werden können. (...)" (Anhang zum SAR-Übereinkommen, 1.3.2.). Die Verordnung (EU) Nr. 656/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates fügt hinzu, dass "dem Schutz ihrer Grundrechte im Einklang mit dem Grundsatz der Nichtzurückweisung Rechnung  [zu] tragen" sei (Verordnung (EU) Nr. 656/2014, Art. 2 (12).

RCC ist die Abkürzung für einen Rescue Coordination Center, eine Rettungskoordinierungsstelle. Diese ist für die effiziente Organisation und Koordinierung von Such- und Rettungseinsätzen innerhalb einer Such- und Rettungsregion (SRR) verantwortlich. (Anhang zum SAR-Übereinkommen, 1.3.5.)

Nein. Nach internationalem Seerecht ist eine Rettung erst dann abgeschlossen, wenn die Überlebenden an einem sicheren Ort ausgeschifft wurden, an dem keine Gefahr für ihr Leben besteht und an dem sie Nahrung, Unterkunft und medizinische Versorgung erhalten können (SOLAS / Kapitel 5 / Regel 33). Diese Kriterien treffen auf Libyen nicht zu. Verschiedene Berichte von Human Rights Watch [4], der UN-Unterstützungsmission in Libyen und dem UN-Menschenrechtsbüro [5] zeigen, dass Migranten und Flüchtlinge in Libyen massiven Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind, darunter willkürliche Inhaftierung, Folter, Zwangsarbeit und sexuelle Ausbeutung. Die Rückführung von Überlebenden nach Libyen würde daher eine Verletzung des internationalen Seerechts und des Grundsatzes der Nichtzurückweisung darstellen. Auch das UN-Flüchtlingshilfswerk vertrat in einer in 2018 veröffentlichten Stellungnahme die Auffassung, dass Libyen "die Kriterien für die Einstufung als sicherer Ort für die Ausschiffung nach einer Rettung auf See nicht erfüllt" [6].

Diese Frage geht von der Annahme aus, dass es zulässig ist, Menschen in Not nicht zu retten, um weitere Menschen an der Flucht zu hindern. Wir halten diese Annahme für inhuman und zynisch. Sie widerspricht auch der Pflicht zur Seenotrettung, die durch das internationale Seerecht klar definiert ist.

 

Mehrere Studien haben eindeutig gezeigt, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Präsenz ziviler Retter und der Zahl der Menschen, die über den Seeweg versuchen zu fliehen, gibt. Die Menschen fliehen aus anderen Gründen als der Anzahl der anwesenden Rettungsschiffe [7] [8]. Weniger Rettungsschiffe führen nicht zu weniger fliehenden Menschen, sondern zu mehr Todesfällen auf der Flucht.

  • Die Achtung vor dem menschlichen Leben muss immer Vorrang vor allen anderen Überlegungen haben.
  • Überlebende an Bord von Rettungsschiffen sind schutzbedürftig und müssen mit Würde und Menschlichkeit behandelt werden und die notwendige Zuwendung erhalten, die ihr schutzbedürftiger Zustand erfordert. Nach geltendem Recht ist eine Rettungsmaßnahme erst dann abgeschlossen, wenn ein sicherer Ort für die Ausschiffung erreicht wurde.
  • Ein klarer Rahmen für die Durchführung von Such- und Rettungseinsätzen, der auf den internationalen Menschenrechten und dem Seerecht beruht.
  • Es müssen ausreichend und angemessen ausgestattete Rettungsschiffe im Mittelmeer eingesetzt werden, um eine vollständige Abdeckung der Such- und Rettungszone zu gewährleisten.
  • Gemäß den Seerechtsübereinkommen darf die Ausschiffung der geretteten Personen an einem sicheren Ort, einem sicheren Hafen, nicht verzögert werden.
  • Die Kriminalisierung von zivilen Such- und Rettungsorganisationen muss beendet werden.

  • Öffentliche Gelder müssen in effiziente Such- und Rettungsdienste umgeleitet werden und die Finanzierung der libyschen Küstenwache eingestellt.

SOS MEDITERRANEE wird von der europäischen Zivilgesellschaft unterstützt. An Bord unseres Rettungsschiffes arbeiten Freiwillige aus der ganzen Welt, die aus der Seefahrt, der Katastrophenhilfe und der humanitären Hilfe kommen. Damit wir weiterhin professionell Leben retten können, sind wir auf Spenden aus der Zivilgesellschaft angewiesen. Wir freuen uns auch über Unterstützung in Form von Spendenaktionen, Benefizkonzerten und Sensibilisierungsveranstaltungen, die von Hunderten von Freiwilligen in Frankreich, Deutschland, der Schweiz und Italien organisiert werden.