Marina sitzt vor der Tür zum Frauenschutzraum auf dem Schiff Ocean Viking
„Ich bin erst 19 Jahre alt und habe die Hölle auf diesem Schiff gesehen, aber ich sterbe lieber auf dem Meer als durch die iranische Regierung getötet zu werden.“

DATUM

Marina* gehörte zu den 75 Frauen, Männern und Kindern, die in der Nacht vom 3. November 2023 von SOS MEDITERRANEE gerettet wurden. Sie befanden sich auf einem überfüllten Segelboot, dass im ionischen Meer trieb. Das Segelboot war eine Woche zuvor aus der Türkei abgefahren. Sie hatten fast zwei Tage lang keine Nahrung und kein Wasser mehr, bevor sie evakuiert werden konnten. 

„Mein Name ist Marina*, ich bin 19 Jahre alt, und ich bin Kurdin. Ich stamme aus der Stadt Mahabad im Iran.

Ich musste aus dem Iran fliehen, um mein Leben zu retten. Nachdem Zhina Mahsa Amini* getötet worden war, habe ich dagegen demonstriert. Sie hat es nicht verdient zu sterben, nur weil sie den Hijab nicht getragen hat. Ich demonstriere für meine Rechte, für meine Freiheit, für alle Frauen im Iran. Die Situation für Frauen in diesem Land ist unerträglich. Im Iran tötet die Regierung immer wieder Menschen. Sieben meiner Freund*innen wurden bei den Protesten getötet. Ich musste mit ansehen, wie eine meiner Freundinnen starb, sie hat studiert, um Ärztin zu werden. 

Während der Proteste wurde ich von der Polizei verhaftet. Sie durchsuchten meine Social Media Accounts und fanden auf Instagram Bilder, die sie als „regierungsfeindlich“ einstuften. Ich wurde freigelassen, demonstrierte aber trotzdem weiter, nachdem ein*e Freund*in von mir bei einer Kundgebung getötet worden war. Die Regierung verhaftete mich erneut und ich wurde zu vier Jahren Gefängnis und 75 Peitschenhieben verurteilt. Ich erhielt Peitschenhiebe und wurde in einem überfüllten Gefängnis schwer geschlagen. Während der Proteste wurden Hunderte von Menschen verhaftet. Ein 15-jähriges Mädchen starb im Gefängnis an einem Herzinfarkt, weil sie so viele Peitschenhiebe erhalten hatte. Nachdem ich 15 Tage im Gefängnis verbracht hatte, gelang es meiner Familie, 10.000 Dollar für meine Freilassung aufzubringen. Weil die Polizei gewalttätig war, musste ich nach meiner Entlassung ins Krankenhaus. Die Polizei im Iran sucht noch immer nach mir und wenn ich zurückkommen sollte, werde ich dort nicht mehr sicher sein.   

Ich habe das Land vor sechs Monaten verlassen. Mit dem Pferd überquerte ich die Grenze zum Irak. Mein Onkel lebt dort. Ich blieb eine Zeit lang bei ihm und fuhr dann im Kofferraum eines Autos in die Türkei. Von Istanbul aus wurden wir mit einem Bus in einen Wald gebracht. Dort verbrachten wir zwei Tage, dann wurden wir auf ein Segelschiff gebracht. Wir waren 75 Personen auf einem etwa 12 Meter langen Boot. Nach drei Tagen funktionierten die Toiletten nicht mehr, nach fünf Tagen hatten wir kein Essen und kein Wasser mehr. Ich bin erst 19 Jahre alt und habe auf diesem Boot die Hölle gesehen, aber ich sterbe lieber auf dem Meer als durch die iranische Regierung getötet zu werden. Ich verdiene es, frei zu sein. Ich möchte Ärztin werden, das ist mein Traum. Wir Frauen brauchen internationale Unterstützung, um nicht von der iranischen Regierung getötet zu werden. Frauen, Leben, Freiheit.“ ***  

 

*Marina (Name geändert) möchte ihre Geschichte erzählen und trotz der Verfolgung, die sie erlebt hat, ihr Gesicht zeigen. 

** Zhina Mahsa Amini war eine 22-jährige kurdisch-iranische Frau, die letztes Jahr im Iran in Polizeigewahrsam starb. Ihr Tod löste landesweit die Bewegung “Frauen, Leben, Freiheit” aus. Die iranischen Behörden reagierten mit Gewalt und gingen gewaltsam gegen die meist friedlichen Demonstrant*innen vor.  

*** Frauen, Leben, Freiheit“ ist ein Slogan, der bei politischen Protesten für die Rechte der Frauen und gegen Unterdrückung verwendet wird. 

Credit: Lucille Guenier / SOS MEDITERRANEE 

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