Waschbereich an Bord der Ocean Viking abgebildet. Eine Person wäscht sich die Hände am Waschbecken.
„Ich habe drei Töchter, meine Frau und meine Eltern in Bangladesch. Ich habe meine Heimat in der Hoffnung verlassen, sie zu unterstützen und bald zu ihnen zurückzukehren. Durch all das, was mir in Libyen passiert ist, habe ich letztendlich alles von ihnen genommen, was wir noch übrig hatten.“

DATUM

Fahim* ist 35 Jahre alt und kommt aus Bangladesch. Er war zusammen mit 92 anderen Menschen an Bord eines überfüllten Holzbootes, das in der maltesischen Such- und Rettungsregion in Seenot geraten war. Fahim befand sich im Schiffsbauch des Bootes eingeengt und konnte stundenlang nicht aufstehen. Am 12. Februar 2022 wurde er von der Ocean Viking gerettet. Fahim half dabei für die anderen Personen an Bord aus Bangladesch zu übersetzen, damit sie unsere Besatzung verstehen konnten.  

Obwohl wir kulturelle Mediator*innen an Bord haben, sprechen diese meistens kein Bengalisch, und unsere Besatzung hat Schwierigkeiten, mit dieser Gemeinschaft zu kommunizieren. Als Englischlehrer in seinem Land war Fahim immer bereit, an Bord zu helfen.

Fahim entschied sich hauptsächlich aufgrund der COVID-19-Pandemie dazu, Bangladesch zu verlassen, da sich durch die Pandemie bereits vorhandene Probleme im Land verschärften. „Ich habe meinen Job aufgrund des Coronavirus verloren. Schulen waren monatelang geschlossen, und in meinem Land gibt es keine soziale Absicherung oder staatliche Hilfen. Ich konnte keinen anderen Job finden“. Fahims Familie war größtenteils auf sein relativ gutes Lehrergehalt angewiesen, da sie sich nicht mehr nur auf die Landwirtschaft verlassen konnte. „Meine Familie besitzt Felder, aber der Klimawandel trifft mein Land direkt, und enorme Überschwemmungen haben den Großteil unserer Felder zerstört“, sagte Fahim. 

Fahim beschloss, anderswo nach Möglichkeiten zu suchen, um seine Familie weiterhin zu unterstützen. Ein Mann aus seiner Stadt erzählte ihm, dass er einen Bekannten in Libyen habe, der auf einfachem Weg viel Geld verdiene. „Er sagte mir, dass ich in Libyen einen Job finden und schnell viel Geld verdienen könne, bevor ich nach Hause zurückkehre. Ich dachte, es sei eine gute Gelegenheit, und ich hatte nicht viele andere Optionen.“ 

Fahim flog zuerst nach Dubai und dann nach Tripolis. Kaum in Libyen angekommen, geriet Fahim in eine Falle. „Der Mann, der mich zu meinem neuen Job bringen sollte, hat bei meiner Ankunft alles gestohlen, inklusive meines Reisepasses. Er drohte, mich umzubringen, wenn ich nicht kooperiere. Ich gab ihm meine Sachen und er ließ mich gehen.“ Fahim befand sich plötzlich in einem Land, das er nicht kannte, mit einer Sprache, die er nicht sprach, und ohne Kontakte zu Menschen, die er kannte. „Ich wurde mir in diesem Land, das zwischen verschiedenen Milizen gespalten ist, selbst überlassen. Ich wurde 9 Monate ins Gefängnis geschickt. Es ist zu kompliziert dort. Du hast keine Rechte. Ich habe gesehen, wie Menschen vor meinen Augen getötet wurden“, erklärte Fahim. 

Die einzige Möglichkeit für Fahim, aus dem Gefängnis freigelassen zu werden, bestand darin, seine Familie um Unterstützung zu bitten. „Während ich von den Wachen geschlagen wurde, musste ich meine Familie anrufen und sie um Geld bitten. Sie mussten unser einziges kleines Stück Land verkaufen, was noch nicht durch die Überschwemmungen zerstört worden war.“ Eines Morgens wurde Fahim freigelassen und beschloss, über das Meer aus Libyen zu fliehen. „Ich wusste, dass ich ertrinken könnte, aber ich hatte keine andere Fluchtmöglichkeit, ich hatte keinen Reisepass mehr.“ 

Es ist ein überfülltest Holzboot auf offener See abgebildet mit Menschen an Bord. Sie tragen organene Sicherheitswesten.
Credit: Claire Juchat / SOS MEDITERRANEE

Fahim gestand, dass es ihm das Herz bricht, dass sich seine anfängliche Hoffnung so zerschlagen hat. „Ich habe drei Töchter, meine Frau und meine Eltern in Bangladesch. Ich habe meine Heimat in der Hoffnung verlassen, sie zu unterstützen und bald zu ihnen zurückzukehren. Durch all das, was mir in Libyen passiert ist, habe ich letztendlich alles von ihnen genommen, was wir noch übrig hatten. Mein Land ist weit weg, ich weiß nicht, wann ich sie wiedersehen werde.“ 

*Der Name wurde geändert, um die Identität des Überlebenden zu schützen. 

Ein Erfahrungsbericht gesammelt von Claire Juchat, Kommunikationsmanagerin an Bord der Ocean Viking, im Februar 2022.

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