Es ist eine Trommel abgebildet auf der in roter Schrift u.a. Ocean Viking steht. Eine Hand hält die Trommel seitlich fest.
„Sobald ich ankam, wurde ich von den Milizen oder der Polizei verhaftet, da gibt es in Libyen keinen großen Unterschied. Libyen ist ein Albtraum; ich bin vom Krieg in die Hölle geflohen.“

DATUM

Adiam* ist 23 Jahre alt und kommt aus Tigray. Er wurde im Februar 2022 von der Ocean Viking aus einem überfüllten Boot gerettet, das mit 93 Menschen an Bord 12 Stunden lang in den internationalen Gewässern vor Libyen in Seenot getrieben war. Adiam reiste allein aus seinem Land und floh vor dem Tigray-Krieg, der am 3. November 2020 begann. 

Adiam hat Management studiert und wollte gerade seinem älteren Bruder helfen ein Geschäft zu eröffnen, als der Krieg in Tigray begann. Adiam wurde Zeuge von Massakern an der Zivilbevölkerung in der gesamten Region. Er erklärte, dass es vielen Geschäften an Waren, von Medikamenten bis hin zu Lebensmitteln, mangelte und keine Lieferungen mehr ankamen, als sich die Konflikte verschärften. „Die Menschen begannen zu hungern, es ist unglaublich, dass es heute noch Hungersnot gibt. An einem Tag versuchte ich etwas Brot für meine Familie zu besorgen, und als ich nach Hause kam, waren mein Bruder und meine Mutter getötet worden. In Tigray werden die Bürger*innen zur Zielscheibe. Jeder, der noch am Leben ist, versucht aus diesem von Konflikten und Hungersnot gezeichneten Land zu fliehen“, teilte Adiam mit. 

Nach dem tragischen Verlust seiner Familie ging Adiam, wie viele andere Menschen aus Tigray, nach Libyen. Er erklärte, dass der Grund für die Reise in dieses Land vor allem an den bestehenden Netzwerken lag, die den Menschen bei der Fahrt nach Libyen helfen. „In Tigray gibt es keine funktionierenden Flughäfen, der einzige Ausweg ist Geld an Leute zu zahlen, die einen an die Grenzen anderer Länder bringen. Es ist leicht, Leute zu finden, die einen nach Libyen bringen“, erklärte Adiam. Wie viele andere wurde auch Adiam, nachdem er die Grenze überquerte, verhaftet. „Ich wurde sofort nach meiner Ankunft von Milizen oder der Polizei verhaftet, da gibt es in Libyen keinen großen Unterschied. In 9 Monaten wurde ich mehrmals verhaftet. Libyen ist ein Albtraum; ich bin vom Krieg in die Hölle geflohen. In Libyen gibt es Sklavenhandel. Ich wurde wie ein Sklave behandelt.“ 

Adiam erklärte, dass es ihm gelang genug Geld zu sammeln, um auf einem Holzboot mitzufahren. Dies war der einzige Fluchtweg, den er hatte, um Libyen zu verlassen, obwohl das Boot nicht für die Fahrt über das zentrale Mittelmeer geeignet war. „Das Boot war überfüllt, mit zwei Decks, es war beängstigend, aber ich hatte keine andere Wahl als an Bord zu gehen. Am Morgen blieb der Motor stehen, wir versuchten ihn immer wieder zu starten, aber ohne Erfolg. Wir trieben den ganzen Tag lang und die Nacht hindurch, bis ihr uns endlich gefunden habt. Wir waren erschöpft, das Boot bewegte sich ständig gefährlich von einer Seite zur anderen. Ich konnte nicht schlafen, weil ich Angst hatte, mich auf eine Seite zu lehnen und das Boot zum Kentern zu bringen. Das Benzin aus dem Motor lief aus, mir war schlecht und schwindlig. Ohne euch wären wir tot.“ 

Im Hintergrund ist ein überfülltes Boot auf dem offenen Meer sichtbar. Im Vordergrund ist ein Ausschnitt von einem kleinen Rettungsboot mit zwei Personen mit Schutzausrüstung und mehreren organgenen Schwimmwesten an Board, abgebildet.
Credit: Claire Juchat / SOS MEDITERRANEE

Mit 23 Jahren hat Adiam bereits unvorstellbare Qualen hinter sich, aber wie jeder junge Mann hat auch er Pläne für seine Zukunft. „Ich möchte meinen Abschluss in Europa anerkennen lassen; ich möchte endlich die Möglichkeit haben, mein Leben selbst zu gestalten,“ sagte er.   

 

*Der Name wurde geändert, um die Identität des Überlebenden zu schützen.  

Ein Augenzeugenbericht, der von Claire Juchat, Kommunikationsmanagerin an Bord der Ocean Viking, im Februar 2022 an Bord der Ocean Viking gesammelt wurde. 

 

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