„Das zweite Mal, als ich versuchte, aus Libyen zu fliehen, war im Juni von Tobruk aus. Ich sollte auf ein grosses Fischerboot gehen, wir waren etwa 900 Leute, die darauf warteten, an Bord gehen zu können, aber für mich gab es keinen Platz mehr. Das Boot lief aus… das war das gleiche Boot, das in der Nähe von Griechenland gesunken ist.“

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Am 24. Oktober 2023 rettete die Ocean Viking in der libyschen Such- und Rettungsregion 29 Menschen in Not aus einem seeuntüchtigen Fiberglasboot. Khaled*, 15 Jahre alt, war einer der 9 unbegleiteten Minderjährigen, die an diesem Tag gerettet werden konnten.

„Ich komme aus Deraa in Syrien und wurde 2008 geboren. Nachdem der Krieg in Syrien begonnen hatte, flohen meine Eltern, meine beiden Schwestern und ich nach Deutschland, wo wir von 2013 bis 2016 gelebt haben. Meine Eltern dachten, dass die Situation in Syrien nach einigen Jahren besser sein würde, und wir beschlossen, wieder in unsere Heimat zurückzugehen.

Aber wir können nicht mehr in Deraa leben, die Situation ist wegen des Krieges weiterhin sehr gefährlich. Noch immer werden jeden Tag zahlreiche Menschen getötet. Es gibt keine Zukunft für mich in meinem Land. Ich beschloss also, Syrien zu verlassen, obwohl meine Eltern zunächst versuchten, mich davon abzuhalten. Letztendlich stimmten sie jedoch zu, und ich verliess zusammen mit meinem Cousin das Land. Ich reiste über Ägypten nach Libyen und kam dank der Hilfe meiner Eltern, die mir 1.500 US-Dollar gegeben hatten, am 28. März 2023 an. Bald darauf überquerte ich die Grenze nach Libyen und musste sieben Monate dort bleiben, wo die Lage sehr schlimm ist.

Ich habe insgesamt sieben Mal versucht, aus Libyen zu entkommen, bevor ihr uns mit der Ocean Viking gerettet habt. Das erste Mal auf einem Fischerboot vom östlichen Teil Libyens aus, aber die libysche Küstenwache drängte uns zurück und wir wurden ins Gefängnis zurückgebracht, da die Milizen und Menschenhändler mit den Behörden zusammenarbeiten. Irgendwann sind mein Cousin und ich aus dem Gefängnis geflohen, und ich habe Bau- und Reinigungsarbeiten verrichtet. Wir wurden in Lagerhäusern untergebracht und bekamen jeden Tag nur eine Tasse Wasser und ein Stück Käse. Wir mussten bezahlen, um etwas zu essen zu bekommen, um zu überleben. Wir waren 700 bis 800 Menschen, die in einem 20 mal 5 Meter großen Lagerhaus untergebracht waren, und wir wurden zur Arbeit zwangsverpflichtet.

Das zweite Mal, als ich versuchte, aus Libyen zu verschwinden, war im Juni in Tobruk. Ich sollte auf ein grosses Fischerboot gehen, wir waren ungefähr 900 Menschen, die darauf warteten, an Bord zu gehen. Ich konnte nicht an Bord kommen, weil wir zu viele Menschen waren und es keinen Platz für mich gab. Aber ein Freund von mir ging an Bord. Das Boot fuhr ab… es war das Boot, das in der Nähe von Griechenland untergegangen ist; mein Freund ist bei diesem Schiffsunglück gestorben.

Ich habe mehrmals versucht, das Meer zu überqueren, aber leider erfolglos. Das letzte Mal, bevor ihr uns gerettet habt, versuchte ich, von Sirte aus überzusetzen, und wir kamen schon fast in Malta an. Aber wir wurden von der libyschen Küstenwache abgefangen und zurück nach Tripolis gebracht, wobei ich dann meinen Reisepass verloren habe. Der Schmuggler sagte mir, dass ich 15 Tage warten müsse, bevor ich es erneut versuchen könne. Aber irgendwann weckte er uns in der Nacht auf und brachte unsere Gruppe bestehend aus zahlreichen Syrern an die Küste von Zuwara. Wir legten gegen 7.00 oder 8.00 Uhr morgens ab. Wir waren auf einem kleinen Boot und sahen ein Flugzeug über uns fliegen. Schließlich sahen wir euer Schiff und ihr habt uns gerettet.

Credits: Lucille Guenier/ SOS MEDITERRANEE

Ich möchte nach Deutschland gehen, mein Onkel lebt noch dort, und ich möchte studieren, um Arzt zu werden, wie meine Mutter und mein Vater. Danach möchte ich nach Syrien zurückkehren.“

*Name wurde zum Schutz der Person geändert
** Gerettete bezeichnen Rückführungszentrenin Libyen als „Gefängnisse“

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