Die Überlebenden auf dem Rettungsschiff Ocean Viking müssen dringend an einem sicheren Ort von Bord gehen können

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Bern, 18. Februar 2022 – Seit Montag, dem 14. Februar, wartet die Ocean Viking mit 247 geretteten Menschen an Bord darauf, einen sicheren Hafen zugewiesen zu bekommen. Während das raue Wetter den Gesundheitszustand der Überlebenden an Bord beeinträchtigt, hat das Schiff trotz fünf Anfragen an die zuständigen Seebehörden noch keine Anweisungen erhalten, wo die aus Seenot Geretteten an Land gehen sollen.

Die 247 Menschen wurden am vergangenen Wochenende und Anfang dieser Woche von der Crew auf der Ocean Viking in weniger als 36 Stunden in fünf Einsätzen gerettet. Das Rettungsschiff Ocean Viking wird von der europäischen Such- und Rettungsorganisation SOS MEDITERRANEE gechartert und in Partnerschaft mit der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) betrieben.

Michele Angioni, Such- und Rettungskoordinator auf der Ocean Viking sagt: „Wir haben vor einigen Tagen in weniger als 36 Stunden fünf Rettungen in den maltesischen und libyschen Such- und Rettungszonen durchgeführt. Trotz zahlreicher E-Mails und Anrufe unsererseits gab es keine Koordination von den Seebehörden. Nach diesem intensiven Wochenende hatten wir einen Sturm mit bis zu vier Meter hohen Wellen und Windgeschwindigkeiten von bis zu 30 Knoten zu überstehen.“

Unter den 247 geretteten Menschen befinden sich 53 unbegleitete Minderjährige sowie ein fünf Monate altes Baby. Einige der Überlebenden weisen Anzeichen von Folter auf. So auch der 19-jährige Amath*, der erst neun war, als er mit seinem Bruder nach Libyen aufbrach. Er erzählte der Crew, dass er den Senegal vor zehn Jahren verlassen hat, um in Libyen Arbeit zu finden. Dort wurde er zehnmal inhaftiert und oft von Wachen oder der Polizei geschlagen – er hat Narben auf dem ganzen Rücken. Er berichtete ebenfalls, dass er bei einem Fluchtversuch ins Bein geschossen wurde.

„Nach der Rettung und der Bergung an Bord der Ocean Viking behandelten wir Fälle von Treibstoffvergiftungen, Verbrennungen und Hautinfektionen“, sagt Johanna Jonsdottir, Krankenschwester der IFRC.

„Seitdem leiden die Geretteten unter Seekrankheit was zu Fällen von Dehydrierung, Kopfschmerzen und Magenbeschwerden geführt hat. Wir stellen fest, dass sich der psychische Zustand der Menschen aufgrund der Blockade auf See verschlechtert. Einige Überlebende haben alte Wunden wie Verbrennungen, verdrehte Knöchel, Schussverletzungen oder leiden auf Grund von Schlägen unter Rückenschmerzen“, fügt Eila Rooseli, Ärztin der IFRC, hinzu.

Viele der Geretteten haben den Teams an Bord erklärt, dass die gefährliche Flucht über das zentrale Mittelmeer in seeuntüchtigen Schlauchbooten die einzige Möglichkeit war, Libyen zu entkommen, obwohl sie um die Risiken wussten.

Gemäss Seerecht gilt eine Rettung erst dann als abgeschlossen, wenn die Überlebenden an einem Ort von Bord gegangen sind, an dem ihr Leben nicht mehr bedroht ist und ihre Grundbedürfnisse erfüllt sind. Allzu oft müssen Gerettete längere Zeit auf Rettungsschiffen verbringen, bevor sie an Land gehen dürfen.

„Das Fehlen einer Koordinierung von Such- und Rettungseinsätzen sowie eines vorhersehbaren Ausschiffungsmechanismus gefährdet seit mehreren Jahren das Leben und die Gesundheit Geretteter. Dies kann nicht länger die Norm sein. Ein Schiff ist kein Ort, an dem Überlebende auf Dauer bleiben können. Wir brauchen einen sicheren Hafen, an dem Männer, Frauen und Kinder ohne weitere Verzögerung von Bord gehen können“, fügt Michele Angoni hinzu.

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Foto: Claire Juchat / SOS MEDITERRANEE

* Der Name wurde geändert, um die Anonymität des Geretteten zu wahren.

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