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Rita*, 25 Jahre alt aus Kamerun, wurde – gemeinsam mit einer ihrer Schwestern – im Januar 2021 von unseren Teams aus einem überbesetzten Schlauchboot gerettet. Hier berichtet sie, warum sie ihr Heimatland verlassen hat und was ihr in Libyen widerfahren ist.

 

„Ich musste Kamerun aus familiären Gründen und wegen der Armut, die unser Land plagt, verlassen. Wir beschlossen einfach zu gehen, und wussten zunächst nicht, wie wir anfangen sollten. Aber die Leute führten uns in die Wüste von Niger.

Zehn Tage brauchten wir durch die Wüste. Am achten Tag war das Trinkwasser aufgebraucht. Wir wurden von Banden angegriffen, die uns misshandeln wollten. Sie haben uns mit Stöcken geschlagen. Ausserdem trennten sie die Männer von den Frauen und Mädchen. Wenn du nicht mit ihnen gehen wolltest, drohten dir Peitschenhiebe.

Wenn du die Wüste mit dem Auto durchquerst und ein Kind hast, musst du es die ganze Zeit in die Höhe halten. Im Auto selbst könnte es ersticken. Wir wurden wie Ware verladen. Es ist ihnen egal, wer schreit und wer nicht. Wenn du schreist, peitschen sie dich aus. Sogar mit deinem Baby, das weint. Wenn du ein Telefon oder Geld hast, nehmen sie dir alles weg. Sie lassen dich mittellos zurück. Es war wirklich schwierig. Sehr schwierig.

Als wir unser Land verliessen, hatten wir nicht genug Geld. Wir haben es bis nach Oran geschafft. In Oran arbeiteten wir für eine Frau. Sie hat uns auch nicht bezahlt. Es gibt Personenkreise unter Kamerunern gemeinsam mit anderen Nationalitäten. Wir arbeiten, indem wir Kleidung, Saft, Essen verkaufen. Mit dem verdienten Geld konnten wir weiter nach Libyen.

Dann habe ich einen Monat in Libyen verbracht. Ein Monat in Libyen ist wie eine Ewigkeit. Es war die Hölle. Wir waren in einem Keller und konnten nicht raus. Wir waren so viele, wir haben nicht gezählt. Mit Kindern. Und wenn ein Mann es ein wenig nett haben wollte, nahm er ein Mädchen und machte mit dir, was er wollte.

Um uns auf das Boot zu bekommen, peitschten sie uns aus. Sie hatten auch Waffen. Eine Frau war schwanger, sie haben sie ausgepeitscht, bis sie ihr Kind verlor. Mein Kind lief weg, als wir am Strand ausgepeitscht wurden. Ich wurde von meinem Sohn getrennt, er hatte Angst, er ist geflohen und sie haben mich nicht einmal meinem Kind hinterherlaufen lassen. Ich hoffe, dass er bei meiner Schwester in Libyen ist.“

 

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Augenzeugenbericht, aufgezeichnet von Julia Schaefermeyer, Kommunikationsbeauftragte an Bord der Ocean Viking, im Januar 2021.

*Der Name wurde geändert, um die Anonymität der Geretteten zu wahren.
Fotonachweis: Yann Levy / SOS MEDITERRANEE

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